Über Hermann Schulze-Delitzsch
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„Auf der Freiheit, verbunden mit der Verantwortlichkeit für deren Gebrauch, beruht die gesunde Existenz des Einzelnen wie der Gesellschaft.“ Diesen Satz hat Hermann Schulze-Delitzsch dem ÖGV gewidmet, der 1872 in Wien gegründet wurde. Die wichtigsten Stationen im Leben des Genossenschaftspioniers. Hermann Schulze wurde am 29. August 1808 in Delitzsch (Sachsen) geboren. Sein Vater war Bürgermeister und Richter. Auch der Sohn schlug die juristische Laufbahn ein. Bald nach den Examina wurde er in Delitzsch Patrimonialrichter. Mit diesem Amt war nicht nur die „untere Gerichtsbarkeit“ verbunden. Er vertrat zugleich die Polizei, und neben Stadtgemeinde und Kirche unterstanden ihm auch Schule und öffentliche Ordnung. 1846 gilt in den Biografien als ein Schlüsseljahr, in der der nunmehr 38-Jährige sein erstes soziales Wirken und Organisationstalent zeigte. Er organisierte Hilfsaktionen, die in dem auf Missernten folgenden Hungerjahr in Delitzsch und Umgebung Ausschreitungen verhinderten - woanders war indes das Militär zur Beilegung von Hungerkrawallen gerufen worden. Bald darauf ging Hermann Schulze, der seinem Namen später den Herkunftsort Delitzsch hinzufügte, in die große Politik - im ersten Anlauf als Mitglied der Preußischen Nationalversammlung in Berlin. Nach deren Auflösung folgten zehn Jahre Zwangspause von der Staatspolitik, die fruchtbringend genutzt wurden: Schulze-Delitzsch war nunmehr in der mittelständischen Wirtschaft „daheim“. Hier reiften seine Genossenschaftsideen heran. Als die Industrialisierung und der vom Deutschen Zollverein geschaffene Binnenmarkt den Handwerkern zusetzten, musste rasch gehandelt werden. Auf Schulzes Initiative hin entstanden zügig Assoziationen in Form von Krankenkassen, Rohstoffzusammenschlüsse der Tischler und Schuhmacher, Vorschuss- und Kreditvereine - die Vorläufer der späteren Volksbanken. Ab 1859 gehörte Hermann Schulze-Delitzsch dem Preußischen Abgeordnetenhaus an. Dort machte er sich jahrelang für Gesetze zugunsten der Genossenschaft stark. 1867 gelang der Durchbruch: Ein Gesetz über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften passierte das Parlament. Es trug die Handschrift des Pioniers Schulze-Delitzsch. Und es diente als Vorlage für das österreichische Genossenschaftsgesetz von 1873. Nach etlichen Modifizierungen und Novellierungen sind die Grundsätze des praxiserprobten Regelwerks für Kooperationen bis heute maßgebend.