Kooperation am Bau
"Chancengleichheit im Konzert der Großen"
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In einer der am härtesten umkämpften Branchen des Landes hat sich ein genossenschaftlich organisierter Zusammenschluss bewährt: Mittelständische Baumeister bilden zusammen die ABAU. Ewald Unterweger, Geschäftsführer der ABAU NÖ/Wien, im Gespräch über Konkurrenz und Kooperation am Bau. „cooperativ“: Die Volksbanken, aber auch andere Institute berichten von einem erfreulichen Wachstum bei den Wohnbaukrediten. Für die Baubranche müsste das eigentlich goldene Zeiten bedeuten ... Ewald Unterweger: Das ist in der Tat so. Der Hochbaubereich ist schon im letzten Jahr extrem stark gewachsen. Wir gehen von einem Plus von zehn Prozent aus und erwarten auch für heuer und im nächsten Jahr einen signifikanten Anstieg. Der Tiefbau ist allerdings nicht in dieser Dimension mitgewachsen. Was bedeutet dieser Trend für die ABAU? Das starke Wachstum macht unseren Eigentümern, den mittelständischen Baumeistern, das Leben leichter. Zugleich stehen wir als Einkaufsgemeinschaft bei derart hohen Wachstumswerten aber auch zunehmend vor der Herausforderung, die Verfügbarkeit der Baustoffe wie gewohnt zu garantieren. Derzeit haben wir österreichweit immerhin 136 Mitgliedsbetriebe mit rund 8.000 Beschäftigten, Tendenz steigend. Abgesehen von den Wachstumserfolgen ist es um den Ruf der Baubranche nicht am besten bestellt. In den Schlagzeilen landet sie vor allem mit Berichten über Kostenexplosionen bei Großprojekten und mit Fällen von Sozialbetrug. Wie sehr stört Sie das? Tatsächlich klafft hier eine große Lücke zwischen medialer Berichterstattung und Wirklichkeit. Fakt ist: Die Baubranche stellt einen extrem wichtigen gesamtwirtschaftlichen Faktor dar. Jeder Euro, der hier investiert wird, hat ein Vielfaches an positiven Folgeeffekten. Einzelfälle von Sozialbetrug gibt es zwar, sie spiegeln aber nicht das wahre Bild der Branche wider. Es ist einfach unzulässig, die gesamte Bauwirtschaft in einen Topf zu werfen! Dasselbe gilt für außer Kontrolle geratene Kosten bei Projekten wie dem Berliner Flughafen. Diese Einzelfälle werfen zu unrecht ein ausgesprochen schlechtes Bild auf die ganze Branche. Im klassischen Wohnbau, der den überwiegenden Teil des Segments ausmacht, gibt es diese Probleme ja nicht. Die ABAU möchte sich im Konkurrenzkampf als Qualitätssiegel am Markt etablieren. Wie stellen Sie die geforderten Standards sicher? Das beginnt schon bei der Auswahl neuer Mitglieder – wir nehmen nur Betriebe mit einer Mindestgröße von 25 Mitarbeitern auf, prüfen das Bilanzbild und die betriebswirtschaftliche Gebarung. Zudem machen wir den Mitglieds-betrieben eine ganze Reihe von Vorgaben, die auf Qualität abzielen. Ihr Kernauftrag ist der zentrale Einkauf von Baustoffen und Investitionsgütern. Was bieten Sie darüber hinaus? Bis auf die Bautätigkeit selbst und den Vertrieb deckt die ABAU mittlerweile das gesamte Leistungsspektrum ab. Das reicht von Mobilfunkverträgen über Versicherungen und Garantiestrukturen bis zu Personalentwicklung, Recruiting und Buchhaltung. Im harten Wettbewerb mit den Großen der Branche sorgen wir so für Chancengleichheit. Dabei steht es jedem Mitglied frei, alle oder nur Teile der Leistungen in Anspruch zu nehmen. Wie funktioniert die Aufgabenteilung innerhalb der ABAU-Gesellschaften? Die ABAU NÖ/Wien betreut die Bundesländer Niederösterreich, Wien, Kärnten und Steiermark, die ABAU Tirol/Vorarlberg den Westen, und dann gibt es noch die ABAU Oberösterreich. Die operative Arbeit für die Mitglieder findet in diesen drei Landesgesellschaften statt. Gemeinsam betreiben wir die ABAU Österreich als Dachorganisation. Diese tritt dann auf den Plan, wenn Vereinbarungen mit österreichweit agierenden Lieferanten abzuschließen sind. Im Vorjahr wurde zudem die ABAU Invest gegründet. Was war der Hintergedanke? Hier geht es um den Bereich der Investitionsgüter wie Kräne, Lkws oder Bagger, der so viele von der übrigen Struktur abweichende Spezifika aufweist, dass eine eigene Gesellschaft das besser bewerkstelligen kann. Durch die professionelle Konzentration beim Investitionsgütereinkauf sind wir einfach erfolgreicher bei Verhandlungen mit den Lieferanten. Diesen Preisvorteil können wir an unsere Eigentümer weitergeben. Zudem bieten wir über die ABAU Invest auch Finanzierungslösungen von Leasing bis Kredit. Dabei kooperieren wir mit Banken, bevorzugt auch mit den Volksbanken, die uns traditionell sehr nahe stehen, wobei hier auch noch Potenzial in der Zusammenarbeit besteht. Ist eine Fusion der ABAU-Gesellschaften ein Thema? Die Frage stellen wir uns natürlich immer wieder. Da der Baubereich aber starken regionalen Charakter hat, ist regionale Stärke besonders wichtig. Der Beton für unsere Baumeister kann nun einmal nicht viel weiter als 30 Kilometer transportiert werden. Daher wäre eine Fusion nur bedingt sinnvoll. Es mag zwar sein, dass unsere bestehende Dachgesellschaft irgendwann an Bedeutung gewinnt, die regionale Beschaffung wird aber immer eine wichtige Bedeutung haben. Dazu kommt: Die emotionale Bindung der Eigentümer mit der ABAU funktioniert über die Landesgesellschaften. Wie wichtig ist für die ABAU die Rechtsform der Genossenschaft? Nicht alle Gesellschaften haben sich dafür entschieden. Ich bin der festen Überzeugung, dass genossenschaftliche Strukturen die beste Rechtsform für Kooperationen sind. In Oberösterreich ist die ABAU als GmbH organisiert, auch über den Genossenschaften in Tirol und Vorarlberg steht eine GmbH. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man: Die GmbH dient in diesen Fällen zwar als Mantel, allerdings sind die Mechanismen der Genossenschaft, so gut es geht, darin nachgebildet. Warum funktionieren Kooperationsmodelle in machen Branchen sehr gut, in anderen gar nicht? Das ist keine Frage der Branche. Ich behaupte: Wenn ein passendes, klares Regelwerk für Kooperation gefunden wird, dann funktioniert es auch. Der ÖGV kann dabei wertvolle Unterstützung leisten. Die Genossenschaft ist einfach unschlagbar: Der auf sich allein gestellte mittelständischer Unternehmer muss alle Bereiche von der Akquisition über Personal bis Buchhaltung selbst abdecken. Eine funktionierende Kooperation nimmt ihm mindestens die Hälfte der administrativen Arbeit ab. Die frei gewordene Zeit kann der Unternehmer für die wirklich wichtigen Dinge wie die Weiterentwicklung des Betriebes oder des Sortiments aufwenden. Das ist ein enormer Vorteil am Markt. Wie stark wirkt sich die Digitalisierung in der Braubranche aus? Sie ist auf allen Ebenen ein wichtiges Thema. Der Digitalisierungsgrad unserer Mitgliedsbetriebe steigt. Das Zauberwort heißt derzeit „Building Information Modeling“, dabei wird von der Planung bis zur späteren Gebäudenutzung alles in einem Modell digitalisiert. In der ABAU selbst gibt es ein vollelektronisches Rechnungsmanagement, an das auf Wunsch auch unsere Mitglieder andocken können. Welche weiteren Trends gibt es am Bau? Wir haben eine Marktentwicklung mit stark steigenden Grundstückspreisen und stark steigenden Quadratmeterpreisen für fertige Wohneinheiten. Ein klassisches ausführendes Unternehmen ist in der Mitte tätig und kann vom Steigerungspotential nur schwer profitieren. Daher wickeln immer mehr ABAU-Mitglieder Bauträgerprojekte komplett in Eigenregie ab, um von der gesamten Wertschöpfungskette vom Grundstück bis zum Vertrieb der Immobilie zu profitieren. Ein zweiter großer Trend: Größere Mitgliedsbetriebe gliedern baunahe Gewerke wie Zimmereibetriebe oder Dachdecker zunehmend mit ein. Angesichts des Facharbeitermangels wollen sie damit unabhängig von Substrukturen werden.