Verbandstag 2018
Ein Verbandstag als Ausrufezeichen
-
Zum Zukunftsthema schlechthin und im Beisein zahlreicher prominenter Gäste aus Wirtschaft und Politik ist am 29. Mai der öffentliche Verbandstag des ÖGV über die Bühne gegangen. „Mutig in die digitale Zukunft“, lautete dabei das Motto. „Wir wollen heute Ihr Mutmacher und Zukunftsbegleiter sein“, erklärte Verbandsanwalt Peter Haubner zum Auftakt der Veranstaltung in den modernen Räumlichkeiten des Wiener Studio 44. Zuvor hatte ein Videoclip Premiere gehabt, der auf den Punkt brachte, wofür der ÖGV steht: „Gemeinsam erfolgreich“ – die Erfolgsformel für den Verband und seine Mitglieder, aber genauso auch für die Genossenschaftsidee. Gemeinsam erfolgreich seien die im ÖGV zusammengeschlossenen Volksbanken, Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften seit nunmehr fast 150 Jahren, fuhr Haubner fort, ganz nach dem Leitspruch des Gründervaters Hermann Schulze-Delitzsch: „Mehrere kleine Kräfte vereint bilden eine große.“ Auch aktuelle Belege für diesen Erfolg hatte der Verbandsanwalt parat: So gratulierte er der EZ AGRAR zur Auszeichnung als Linzer Unternehmen des Jahres in der Kategorie Wirtschaftskooperation, den Brauereien Murau und Ried zu den Qualitätspreisen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, der Volksbank Salzburg zum Preis als beste Regionalbank und allen Volksbanken zur besten Kundenberatung beim heurigen Recommender-Award. „Aber der Erfolg ist kein Selbstläufer“, so Haubner weiter. „Wie alle anderen Unternehmen stehen auch Genossenschaften immer wieder vor neuen Herausforderungen. Sie müssen die Zeichen der Zeit erkennen, sich ständig verändern und so ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Selbstverantwortung ist nicht umsonst eines der wichtigsten genossenschaftlichen Prinzipen.“ Eine dieser Herausforderungen sei heute die Digitalisierung, die für die Genossenschaften weit mehr Chancen als Risiken mit sich bringe. Denn das uralte Prinzip der Kooperation sei in Zeiten der digitalen Communitys und der Sharing Economy hochmodern. Das Wesen des Wandels Welche Megatrends auf uns zukommen, zeigte dann IMAS-Experte Paul Eiselsberg in seinem Impulsreferat auf. „Wandel gab es immer schon in der Menschheitsgeschichte, aber diesmal kann man aufgrund der hohen Komplexität und Geschwindigkeit von einem gewandelten Wandel sprechen“, so Eiselsberg. Die Impulse dafür kämen aus allen Richtungen: vom demografischen Wandel, der Individualisierung, dem Freizeit- und Wellnesstrend, der Globalisierung, der Mobilität und der Digitalisierung. Letztere wirke dabei wie ein Teilchenbeschleuniger. Als Beispiele für Ausprägungen des Wandels nannte er das dramatisch gestiegene weltweite Datenvolumen, die fast völlige Verdrängung der analogen Datenspeicherung durch digitale Lösungen, die Möglichkeiten des 3D-Drucks, der Automatisierung und der Robotik bis hin zu selbstfahrenden Autos. Wobei, so schränkte der Experte ein, neben der technischen Machbarkeit immer auch Akzeptanz in der Bevölkerung und klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Erfolg von Innovationen notwendig seien. Die Digitalisierung jedenfalls habe massive Auswirkungen auf Kommunikation, Medienlandschaft und Einkaufsverhalten. Als Beispiel nannte er das Nutzungsverhalten auf Facebook: „18 Prozent der Nutzer loggen sich gleich nach dem Aufstehen zum ersten Mal ein, weitere neun Prozent dann beim Frühstück. Einfach, schnell und kostenlos – so lautet die Erfolgsformel aller modernen Kommunikationsplattformen“, so Eiselsberg, der aber auch vor einer digitalen Spaltung der Gesellschaft warnte. Immerhin 25 Prozent der Österreicher würden das Internet noch gar nicht nutzen. Ministerin setzt auf Genossenschaften Das will Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, rasch ändern, wie sie in ihrer Keynote erklärte. „Digitale Fähigkeiten und Bildung sind für mich eine Herzensangelegenheit. Wir werden daher mit der Wirtschaft und den Bildungsträgern einen Pakt für digitale Kompetenzen schließen, die Fachkräfteausbildung ausbauen, bestehende Lehrberufe mit digitalen Inhalten anreichern und auch völlig neue Berufe schaffen“, so die Ministerin. Als Beispiel nannte sie die Lehre zum E-Commerce-Kaufmann, die im Herbst startet. Ein weiteres großes Ziel der Standortministerin: Nicht nur große Leitbetriebe, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen sollen verstärkt an der Digitalisierung partizipieren, etwas durch neu zu schaffende Innovation Hubs in allen Bundesländern oder durch gemeinsame Plattformen für E-Commerce. Hier sieht Schramböck auch eine wichtige Rolle für die Genossenschaften: „Sie können Plattform und Multiplikator für die Digitalisierung sein.“ Schließlich will Schramböck in der öffentlichen Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen: „Der Zugang zu allen Dienstleistungen der Behörden soll über die neue Plattform oesterreich.gv.at gebündelt werden. Schritt für Schritt werden wir hier alle Amtswege digital abbilden, beginnend mit dem Thema Geburt.“ Talkrunde zur digitalen Praxis Spannend ging es im Anschluss bei der Podiumsdiskussion weiter, die – wie auch der übrige Vormittag – vom ehemaligen ORF-Anchorman Gerald Groß moderiert wurde. Neben Ministerin Schramböck und IMAS-Experte Eiselsberg waren mit Generaldirektorin Regina Ovesny-Straka (Volksbank Steiermark) und APA-Geschäftsführer Clemens Pig auch zwei Vertreter von genossenschaftlichen Unternehmen mit auf dem Podium. Das von Eiselsberg aufgeworfene Problem der digitalen Spaltung konnte Ovesny-Straka für den Bankensektor bestätigen: „Zu unseren Kunden zählen einerseits Private und KMUs, die noch in der analogen Welt leben und Geld am Schalter beheben, und andererseits auch solche, die äußerst kreativ bei der Nutzung der digitalen Technik sind, darunter etwa Weinbauern, die mit Drohnen arbeiten. Die Herausforderung für uns als Bank besteht darin, beide Kanäle sinnvoll zu verbinden und dem Kunden die Wahlmöglichkeit zu überlassen.“ Für regionale Beraterbanken ortet sie auch in Zukunft gute Chancen, denn: „Selbst die Generation Y möchte bei wichtigen Lebensentscheidungen wie Wohnbaudarlehen noch das persönliches Gespräch. Nur im direkten Kontakt kann man wirklich auf den Kunden eingehen, feststellen, wo ihn der Schuh drückt, ihm die Risiken von finanziellen Entscheidungen bewusst machen.“ Andererseits erwarte die junge Generation aber auch, dass vorhandene Daten intelligent genutzt werden, um maßgeschneiderte Angebote zu kreieren. Hier gebe es noch viel Nachholbedarf. Zudem gelte es, die genossenschaftliche Vernetzung in der digitalen Welt neu zu erfinden. In einer ganz anderen Rolle sieht sich APA-Chef Pig: „Medienunternehmen waren von technischen Innovationen immer schon als Erste betroffen, sie waren stets gefordert, innovativ zu sein.“ Bei der Digitalisierung komme der APA als Genossenschaft der österreichischen Medien eine ganz besondere Rolle zu: „Unsere Stärke ist es, Dienstleistungen anzubieten, die für das einzelne Mitglied zu komplex und zu teuer in der Erstellung wären. Neben der Bereitstellung von Nachrichten gehört dazu heute auch die Technologie.“ Die moderne Interpretation des Förderauftrags bringe etwa mit sich, dass die IT-Abteilung der APA mittlerweile gleich groß dimensioniert sei wie die Nachrichtenredaktion. Generell sei die Genossenschaft ein Parademodell dafür, wie Unternehmen die neuen Herausforderungen meistern können. Kooperation ermögliche es ihnen, im Konzert der Großen konkurrenzfähig zu bleiben und zugleich die Wertschöpfung im Land zu halten. Foto: Felicitas Matern